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Neuer Anlaufpunkt für die Bahn

Neuer Anlaufpunkt für die Bahn

10. Oktober 2014

Was bewegt einen mittelständischen Spediteur, in einen Umschlagpunkt  Schiene-Straße zu investieren? „Wenn wir uns nur auf den LKW verlassen, wird der Verkehr irgendwann nicht mehr funktionieren“, sagt Tino Bauer, Gründer der gleichnamigen Spedition in Callenberg zwischen Zwickau und Chemnitz. „Es ist meine feste Überzeugung, dass bestimmte Gütergruppen auf die Bahn müssen.“

Wie Bauer erläutert, sei die Personalrekrutierung für die Logistik angesichts der hohen Löhne der Industrie im sächsischen Automotive-Cluster schon heute „eine Katastrophe“. Der demographische Wandel werde den Mangel noch verschärfen. Seine Überlegung: Könnte man zum Beispiel den Transport von Getränken in die Region Chemnitz vom Fernverkehrs-LKW auf die Schiene verlagern, würden vier bis fünf Fahrer für den Nahverkehr freigesetzt. „Wir müssen dafür aber Punkte schaffen, wo die Bahn ‚ankommen‘ kann“, sagt Bauer.

Daran mangelt es aber: Der Güterbahnhof in Chemnitz ist schon lange geschlossen, nur einige Großverlader wie die Automobilindustrie haben private Gleisanschlüsse. Für Einzelwagen- und Wagengruppenverkehr gibt es in der Region derzeit keine öffentliche Be- und Entlademöglichkeit. Daher lässt Bauer jetzt für 4,3 Mio. EUR – einschließlich 50 Prozent EU-Förderung – in Chemnitz einen sogenannten Railport bauen: 300 m Gleislänge sowie eine frostsichere Umschlaghalle mit 80 m Gleis, einer Rampe auf Wagenbodenhöhe und einem 30-t-Deckenkran. Bauer will dabei lediglich den Umschlag zwischen Straße und Schiene übernehmen – diskriminierungsfrei, wie er immer wieder betont. Er kann sich aber auch vorstellen, regelmäßige Wagengruppenverkehre für die Verlader zu organisieren.

Verkehrsgünstige Lage

Der ausgewählte Standort auf dem ehemaligen Güterbahnhofsgelände Chemnitz-Süd sei ideal gelegen: Vom kommenden Jahr an sei die Fraunhofer-Straße direkt an den Südring und damit die Autobahn angeschlossen. Selbst für Verkehre nach Nordböhmen sei der Railport dank der gut ausgebauten B174 über das Erzgebirge sehr attraktiv.

Warum hat er sich für einen vergleichsweise aufwendigen Railport statt eines einfachen Terminals für den Kombinierten Verkehr mit Reachstacker entschieden? „In Glauchau gibt es bereits ein KV-Terminal“, sagt Bauer. „Es hat keinen Sinn, sich in derselben Region mit dem gleichen Produkt zu etablieren.“ Der KV  von und zu den Seehäfen sei fest in der Hand der Hinterlandoperateure. Beim Verkehr mit Wechselbrücken müsse die Paarigkeit gegeben sein. Das sei beim Einzelwagenverkehr nicht zwingend notwendig. Der Railport könne aber auch für den KV genutzt werden. Rund 300 m Gleis sind in einer Betonfläche eingebettet und könnten mit Reachstacker bedient werden.

Positives Echo bei der DB

Bauer ist mit zahlreichen potenziellen Kunden im Gespräch. Auch seitens der Deutschen Bahn gibt es grundsätzlich positives Echo. DB Schenker Rail betreibt selbst zahlreiche Railports, die aber darauf zielen, die gesamte Logistikkette durch DB-Unternehmen abwickeln zu lassen. Auch von potenziellen Verladern und anderen Speditionen gebe es Interesse – es werde aber vielfach erwartet, dass Bauer in Vorleistung geht. Er verweist darauf, dass sein Partner, die Ristelhueber Spedition, schon seit längerem einen ähnlichen Umschlagpunkt an ihrem Firmensitz in Mannheim betreibe und aufgrund ihres Schwerpunkts im Schweiz-Verkehr seit langem bahnaffin aufgestellt sei. „Das ist also nicht nur eine fixe Idee von mir“, sagt er.

Stückgut im Fokus

Als besonders interessante Warengruppen für den Umschlag im Railport sieht Bauer empfangsseitig neben den bereits erwähnten Getränken allgemein Lebensmittel an. Mit dem Kran in der Halle sei der Railport aber auch für Papier oder Stahl hochinteressant. „Bei den heutigen Coil-Gewichten ist ein LKW manchmal schon mit einer Rolle am Limit“, sagt er. „Auf einem Güterwagen können Sie hingegen drei bis vier Coils transportieren.“ Im Versand sieht er einen Markt für Produkte des mittelsächsischen Maschinenbaus. „Wir sind aber warenoffen“, betont er. Sein innigster Wunsch sei eine Art Sammelgutkooperation für den Transport auf der Schiene.

Konferenz mit Verladern geplant

Um das Henne-Ei-Dilemma in Chemnitz aufzulösen, wird derzeit zusammen mit dem sächsischen Wirtschaftsministerium (SMWA) für den 27. November eine Netzwerkkonferenz („In-Rail-Cargo“) organisiert. Dort sollen potenzielle Verlader und Dienstleister miteinander ins Gespräch kommen, wie sie die neue Umschlagmöglichkeit nutzen können. Ausdrücklich lobt er den scheidenden Wirtschaftsminister Sven Morlok: Er und sein Haus hätten sich sehr für das Projekt eingesetzt. Anfang April 2015, genau zum 25-Jährigen Gründungsjubiläum der Spedition, soll der Railport in Betrieb gehen.

erschienen am 10.10.2014 ( Von Matthias Roeser )
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